Mehr Zeit für Hingabe und Zuwendung in der Pflege
Professionelle Pflege braucht mehr Zeit für Hingabe und Zuwendung zum Patienten. Das fordern die kirchlichen Krankenhäuser in Baden-Württemberg. Denn sie wollen die Situation für die Mitarbeitenden in der Pflege nachhaltig verbessern. Bei einem gemeinsamen Aktionstag am 13. Juli in der Stuttgarter Liederhalle erhöhten sie den Druck auf die politisch Verantwortlichen, endlich etwas zu unternehmen. Urs Keller, Vorsitzender des Evangelischen Krankenhausverbandes Baden-Württemberg, und Richard Wentges, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Katholischer Krankenhäuser, überreichten eine entsprechende Resolution mit über 5.000 Unterschriften ihrer Mitarbeitenden an die beiden Bundestagsabgeordneten Heike Baehrens (SPD) und Karin Maag (CDU). An dem Aktionstag Pflege nahmen rund 400 Mitarbeitenden aus der Pflege teil.
"Als kirchliche Krankenhäuser ist es uns ein besonderes Anliegen, dass es tatsächlich eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Pflege gibt", machte Bernd Rühle, Geschäftsführer des Evangelischen Krankenhausverbandes Baden-Württemberg, in seiner Einführung deutlich. Der christliche Auftrag "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" erfordere auch entsprechende Rahmenbedingungen. Aus der Politik gebe es mit dem Entwurf zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz dazu im Moment erste "positive Signale". Aber es gebe noch viele offene Fragen. "Wir brauchen nachhaltige Lösungen und keine Strohfeuer", so Rühle. "Wir brauchen mehr Zeit für die Pflege am Patienten, mehr Zeit für eine professionelle Pflege mit Hingabe".
Warnung vor umfassender und radikalen Ökonomisierung
In einem sehr persönlichen Impuls griff Heribert Prantl von der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung diesen Gedanken auf. Bei der Sorge um alte und kranke Menschen sei "eine Auferstehung der Nächstenliebe und wärmende Zuneigung notwendig", betonte er. "Für gute Pflege braucht es Zeit, Geborgenheit und Barmherzigkeit." Diese könne man nicht betriebswirtschaftlich optimieren. Er warnte vor einer "umfassenden und radikalen Ökonomisierung des Gesundheitswesens".
Damit traf der Journalist die Stimmung der anwesenden Pflegekräfte, wie der lang anhaltende Applaus zeigte. In anschließenden "Blitzlichtern" berichteten einige von ihnen von ihren Arbeitsalltag auf den Stationen im Krankenhaus. Darin verlangten sie vor allem mehr Respekt und Wertschätzung für ihren Beruf. Pflege habe sich professionell etabliert und ein Krankenhaus ohne Pflege sei nicht denkbar. Bei aller Kritik zeigten sie sich zugleich überzeugt: "Pflege ist ein schöner, vielseitiger und sinnhafter Beruf."
Gegen eine Kultur des Misstrauens
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit den beiden Bundestagsabgeordneten Heike Baehrens (SPD) und Karin Maag (CDU) trugen die Vertreter der Krankenhäuser noch einmal ihre Forderungen an die Politik vor. Frank Feinauer, Pflegedirektor im Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim, wandte sich gegen eine Kultur des Misstrauens. "Als kirchliche Krankenhäuser haben wir den Willen das Geld, das uns zur Verfügung steht, sinnvoll einzusetzen, aber wir werden von den Rahmenbedingungen behindert." Er verlangte eine "langfristige und nachhaltige Finanzierung der Pflege" und keine kurzfristigen auf wenige Jahre ausgelegten Fördermaßnahmen.
Die beiden Politikerinnen verwiesen auf die intensiven Bemühungen mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz in der laufenden Legislaturperiode, die Situation in der Pflege zu verbessern. "Wir haben die Pflege in den letzten Jahren nicht vergessen", betonte Karin Maag, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Jährlich würden rund 72 Mrd. Euro in die Krankenhausfinanzierung gehen. "Es ist genug Geld im System, aber wir brauchen mehr Transparenz, wohin das Geld fließt." Künftig solle in den DRGs ein Teil des Geldes ausschließlich für die Pflege am Bett zur Verfügung stehen. Die pflegepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, Heike Baehrens, räumte Fehlsteuerungen in der Vergangenheit ein. "Im Moment profitieren diejenigen Krankenhäuser, die nicht nach Tarif zahlen. Das müssen wir ändern." - In den 44 kirchlichen Krankenhäusern und Reha-Kliniken in Baden-Württemberg versorgen rund 21.800 Mitarbeitende jährlich rund 336.000 Patientinnen und Patienten. (Ute Emig-Lange)