Farbe(n) bekennen!
Seit der Karwoche hängt vor dem Weihbischof-Gnädinger-Haus die Regenbogenfahne.
Wir reagieren damit auf ein Dokument der vatikanischen Glaubenskongregation, das besagt, die (römisch-katholische) Kirche habe nicht die Vollmacht, "Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen."
Ungeachtet der Frage, wem diese Note eine Antwort geben will und welche strategischen Ziele von der vatikanischen Glaubensbehörde verfolgt werden, manifestiert sich leider einmal mehr, dass die Be- und Verurteilung homosexueller Beziehungen durch das römische Lehramt 2021 eine sehr verengte Sicht auf menschliche Sexualität und die Liebe zwischen gleichen und freien Menschen zugrunde legt.
Zudem wird mehr als deutlich, dass Erkenntnisse der Theologie sowie der Human- und Sozialwissenschaften weiterhin nicht zur Kenntnis genommen werden. Das Dokument zitiert zur Begründung der ablehnenden Position der Glaubenskongregation nur eigene bzw. kirchliche Aussagen und macht sich nicht die Mühe, sich mit anderen Meinungen auseinander zu setzen.
Dies verlangt eine klare Positionierung auch unsererseits. Hierfür ist die Regenbogenfahne ein Symbol.
Wir sind der Überzeugung, dass Gott dem Menschen seine Liebe und den Zuspruch seines Segens niemals verweigert. Im Gegenteil: der Segen wird bedingungslos zugesprochen und der Bund Gottes mit den Menschen ist und bleibt ewig gültig. Den Segen Gottes muss und kann man sich also nicht verdienen. Er ist Geschenk aus Liebe. Dafür steht der Regenbogen seit jeher. (vgl. Gen 9,12-17) Wäre es anders und müsste man sich den Segen Gottes erwerben oder verdienen, dann dürfte "die Kirche" überhaupt niemanden und nichts segnen. Denn wir alle leben mit Brüchen und bleiben alle ungefähr gleich weit hinter dem Ideal menschlichen Lebens und der Liebe zurück.
In seinem Leben und seiner Verkündigung bezeugt Jesus von Nazareth einen menschenfreundlichen Gott, der sich seinen Söhnen und Töchtern bedingungs- und voraussetzungslos in Liebe zuwendet und um die liebende Antwort der Menschen wirbt. Jesus zögert nicht, religiöse Ge- oder Verbote in Frage zu stellen, wo sie dieses Gottesbild zu verdunkeln drohen. In der Verkündigung der Botschaft Jesu ist sich das Neue Testament sehr sicher, dass die Liebe der beste, wichtigste und zugleich herausforderndste Weg der Nachfolge Jesu ist. Das Sakrament der Taufe und alle Sakramente der Kirche sprechen den Menschen diese Grundaussage zu und machen deutlich, dass hinsichtlich der bedingungslosen Zuwendung Gottes menschliche Unterschiede zurücktreten.(1) Diese Zuwendung ist auch der innerste Kern der Caritas und ihres Handelns im Dienst an den Menschen.
Wenn es also um Liebe gehen soll und nicht um eine oberflächliche Reglementierung menschlichen Sexuallebens oder die sklavische Einhaltung einer idealtypisch gedachten Schöpfungsordnung, so sind wir sehr sicher, dass die Nähe Gottes dort spürbar und erlebbar ist, wo Menschen einander in Liebe und Verantwortung verbunden sind.
Verdichtet sehen wir das im Ausruf des 1. Johannesbriefes: "Gott ist die Liebe. Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm." (Joh 4,16)
Dem ist nichts hinzuzufügen. Und deswegen hängt die Regenbogenfahne vor unserem Haus.
Thomas Herkert Birgit Schaer
Vorstandsvorsitzender Vorständin
__________
(1) vgl Gal 3,26ff: "Denn alle seid ihr durch den Glauben Söhne (und Töchter) Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus. Wenn ihr aber Christus gehört, dann seid ihr Abrahams Nachkommen, Erben gemäß der Verheißung."